Kramp-Karrenbauers lang erwarteter Auftritt.

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Ein Gläschen in Ehren.

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Um Gottes willen. Was schwimmt dann da im heißen Wasser? Aschermittwoch ist, und in Demmin in Mecklenburg-Vorpommern sieden Frankfurter Würstel am Buffet vor sich hin. Derlei Frevel würde man sich bei der CSU in Bayern nie erlauben. Aber hier oben, im Nordosten Deutschlands, hat man es nicht so mit dem Fasching und den strengen Regeln für den anschließenden Aschermittwoch. Zu landesweiter Bekanntheit hat es die Kleinstadt nur gebracht, weil Angela Merkel als CDU-Chefin hier immer ihre Aschermittwochsreden gehalten hat. Ihr Wahlkreis ist nicht weit entfernt.

Merkel ist als CDU-Chefin Geschichte, ihre Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat noch gar keinen Bundestagswahlkreis. Aber sie hat sich entschieden, in Merkels Fußstapfen zu treten und ihre Aschermittwochspremiere auch nach Demmin zu legen. So füllt sich die Tennishalle auch dieses Jahr wieder, die Combo spielt einen Tusch nach dem anderen, zudem "Es gibt kein Bier auf Hawaii".

"Ich hab die Kramp-Karrenbauer noch nie persönlich erlebt, ich kenn sie nur aus dem Fernsehen, und da gefällt sie mir immer, weil sie so gerade raus ist", sagt eine Rentnerin aus Demmin, die an ihrem Mineralwasser nippt. "Na, dann schauen wir mal, welche Minderheit sie heute beleidigt", meint ihre Tischnachbarin und lacht. Es ist eine Anspielung auf "Toiletten-Gate", auf Kramp-Karrenbauers Karnevalsauftritt in Baden-Württemberg. Dort hat sie sich über Intersexuelle lustig gemacht und dafür sehr viel Schelte kassiert. Bei der CDU ahnt man, dass das Thema noch nicht abgeschlossen ist, zumal "AKK" sich dazu selbst noch nicht geäußert hat.

"Erklär uns jetzt den Unisex!"

Und so weist der CDU-Europaabgeordnete Werner Kuhn, der durch die Veranstaltung führt, gleich mal darauf hin, dass er den Spott daneben findet. Die Vorsitzende holt er dann mit folgenden Worten auf die Bühne: "AKK, drum sei ein Schatz, komm hoch zu mir, hier ist dein Platz. Der ganze Saal ist jetzt perplex: Erklär uns jetzt den Unisex!"

Das tut Kramp-Karrenbauer nicht. Doch sie nimmt den Ball sofort auf und sagt: "Karneval war echt eine stürmische Zäsur." Sie staune, wie lange und intensiv über ihren Witz diskutiert worden sei. Beim Stockacher Narrengericht in Baden-Württemberg hatte sie erklärt, Toiletten für Intersexuelle seien "für die Männer, die noch nicht wissen, ob sie noch stehen dürfen beim Pinkeln oder schon sitzen müssen".

Das sei keine Veräppelung des dritten Geschlechts gewesen, versichert sie. Vielmehr habe sie über das Verhältnis von Mann und Frau gesprochen. "Manchmal muss man genauer hinsehen, bevor man sich aufregt", sagt sie und fügt hinzu: Wenn jedes Wort in Deutschland nun auf die Goldwaage gelegt werde, dann "geht ein Stück Tradition verloren", nämlich die "Tradition von Fastnacht und von Karneval".

"Das verkrampfteste Volk der Welt"

Sie habe unlängst eine Dokumentation über den Mauerfall 1989 gesehen und gedacht, damals seien die Deutschen das "glücklichste Volk der Welt gewesen". Nun aber, so die CDU-Chefin, "habe ich das Gefühl wir sind das verkrampfteste Volk der Welt." Überhaupt sei ihr Eindruck: "Wir haben keine wirklichen Probleme." Sonst könne sie sich nicht erklären, wie man tagelang "über so einen Blödsinn diskutieren kann". Es gibt aus ihrer Sicht viel wichtigere Themen, beispielsweise die EU-Wahl im Mai. "Wir stehen vor einer Wahl wie keine andere", sagt sie, denn im Mai werde sich entscheiden "ob das, was wir in Deutschland und Europa für richtig halten, noch eine Rolle spielt".

Europa habe geholfen, dass "die Mauer fiel und dass wir im wiedervereinigten Deutschland leben". Die CDU kämpfe daher "für Europa, weil es nur gemeinsam mit Europa gehen kann". Die "große Frage" sei der Schutz der Außengrenzen, "das müssen wir klären". Sie macht einmal deutlich, dass sie gegenüber kriminellen Flüchtlingen eine harte Linie fahren will: "Wenn jemand den Schutz missbraucht, um in schrecklicher Art und Weise Verbrechen zu begehen, der muss Deutschland verlassen und darf europäischen Boden nicht mehr betreten."

Distanz zur SPD

Immer wieder wird sie von lautem Applaus und Bravo-Rufen unterbrochen, auch als sie sich der SPD zuwendet und über diese lästert. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) bevorzuge die roten Ministerien, für diese sei Geld übrig, die schwarzen Ressorts hingegen sollen "bluten". Kramp-Karrenbauer: "So ist man kein guter Finanzminister." Auch andere Vorhaben der SPD missfallen "AKK": die geplante Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung. "Habt ihr schon mal versucht mit einem Rasensprenger ein Glas Wasser zu füllen?" fragt sie unter Gelächter des Publikums.

Auch die Grundsicherung und das Arbeitslosengeld für Langzeitarbeitslose ("Hartz IV") ohne finanzielle Sanktionen auszuzahlen, wenn jemand angebotene Arbeit ablehnt, kommt bei "AKK" nicht gut an. Das sei eine teure "Selbsttherapie" auf Kosten der Steuerzahler für die Sozialdemokraten. Man müsse vielmehr an jene denken, die morgens aufstehen und "malochen". Aber die "wählen schon lange nicht mehr die SPD". Das Publikum ist zufrieden, die erste Aschermittwochsrede von Kramp-Karrenbauer kommt gut an. Auch die Rentnerin, die bloß ihr Wasser trank, geht gut gelaunt nach Hause: "Inhaltlich ist die Neue ja ohnehin wie Merkel. Aber sie kann einfach besser reden."

Derbe Worte bei der AfD

Das Aschermittwochstreffen der AfD im bayerischen Osterhofen – unweit von Passau, also nur wenige Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt – ist tatsächlich eine Art Aufwärmrunde für den bevorstehenden EU-Wahlkampf.

Eifrig diskutiert wird dort schon an diesem sonnigen Morgen, lange bevor die ersten Redner die Bühne der Mehrzweckhalle "Donaucenter Schubert" erobern. Da wirft ein Herr – in Lederhose und mit Gamsbart dekoriert – ganz forsch in die Weißbierrunde, dass er von den ganzen "Kesselflickern" schon "die Schnauze voll" habe. Der Kollege im Thor-Steinar-Hoodie mit der Aufschrift "Legion Nord" setzt nach, dass er die "Kameltreiber" schon nicht mehr sehen könne. Früh ist damit an diesem Tag in Osterhofen klar, dass das Thema Integration auch beim diesjährigen Politischen Aschermittwoch der Alternative für Deutschland eine eher untergeordnete Rolle spielen wird.

Den Reigen der launigen, oft aber auch nur lauen Reden – zumeist verbale Rundumschläge gegen die anderen Parteien sowie gegen Medien, Kirchen, den Verfassungsschutz und die Europäische Union – eröffnet zunächst offiziell der Bezirksvorsitzende Stephan Protschka. An ihm liegt es dann auch, eine der Hauptrednerinnen zu entschuldigen: Katrin Ebner-Steiner, stellvertretende AfD-Vorsitzende und bayerische Fraktionschefin, muss an diesem Aschermittwoch krankheitsbedingt das Bett der Bierbank und den Kamillentee dem Weißbier vorziehen.

AfD-Bundessprecher und Spitzenkandidat Jörg Meuthen verspricht dann seinen Anhängern, bei der Europawahl anzutreten, "um etwas zu bewirken". Man werde als "bärenstarke Truppe" gemeinsam mit der italienischen Lega von Matteo Salvini und der österreichischen FPÖ von Heinz-Christian Strache in das EU-Parlament einziehen.

Angesichts der Überwachung der AfD durch den deutschen Verfassungsschutz fühlt sich der Parteivorsitzende "an Stasi-Zeiten" erinnert. Ungarns Regierungschef Viktor Orbán würde Meuthen hingegen "den roten Teppich ausrollen". (Birgit Baumann aus Demmin, 6.3.2019, Markus Rohrhofer aus Osterhofen)